Bei meiner Zusammenarbeit mit Eltern, Lehrern und Erziehern erreichen mich immer wieder Fragen nach der richtigen Stifthaltung.
Die Kollegen aus den Kindergärten und Grundschulen berichten dabei häufig von Unsicherheiten und zunehmenden Entwicklungsdefiziten. Da auch die allgemeinen Empfehlungen von Fachleuten in diesem Bereich in den letzten Jahren aktualisiert wurden, ist eine genaue Aufklärung zu diesem Thema besonders wichtig. Im Folgenden stelle ich einige wichtige Anzeichen einer reifen und unreifen Stifthaltung vor.
Der dynamische Dreipunktgriff wurde Kindern lange als einzige physiologisch korrekte Stifthaltung beigebracht. Der Stift wird dabei zwischen Daumen und Zeigefinger gehalten und liegt auf dem Mittelfinger auf. Diese Stifthaltung ermöglicht es dem Kind, gezielte Schreibbewegungen aus den Fingern auszuführen.
Mittlerweile ist jedoch klar, dass Kinder auch mit anderen Stifthaltungen ein gut lesbares Schriftbild erreichen können.
So zählen nun auch der dynamische Vierpunktgriff, der laterale Dreipunktgriff und der laterale Vierpunktgriff zu den ausgereiften Stifthaltungen.
Es Bedarf also keiner für die Schüler oft demotivierenden Korrektur:
- wenn der Stift mit vier statt drei Fingern gehalten wird (Vierpunktgriff)
- wenn der Daumen beim Schreiben über den Stift und den Zeigefinger gelegt wird (laterale Griffe)
Folgende Kennzeichen sprechen für eine reife Stifthaltung:
- Die Schultern sind entspannt gesenkt
- Die zweite Hand wird zum Halten des Blattes genutzt
- Der Unterarm liegt größtenteils auf dem Tisch auf
- Der Stift ruht in der Daumenmulde
- Die Hand wird auf der Außenkante entspannt abgelegt und gleitet über das Blatt
- Das Handgelenk ist in einer gestreckten Haltung
- Die Bewegung wird vorwiegend aus den Fingern und dem Handgelenk ausgeführt
- Der Stiftdruck ist angemessen
- Es entstehen fließende Mal- oder Schreibbewegungen
- Das Kind kann mit etwas Übung ca. 10 Minuten am Stück malen oder schreiben, ohne davon Schmerzen in der Hand zu bekommen
Folgende Kennzeichen sprechen für eine unreife Stifthaltung und Schreibmotorik
- Die Schultern sind angespannt und hochgezogen
- Die zweite Hand wird nicht als Haltehand eingesetzt, sondern z.B. zum Stützen des Kopfes
- Der Ellenbogen wird angehoben
- Die Bewegung wird vorwiegend aus dem ganzen Arm ausgeführt
- Die Haltung wirkt verkrampft, die Fingergelenke treten hervor (Bild 1)
- Das Handgelenk wird abgeknickt und angehoben (Bild 2)
- Der Stift wird zu weit oben oder unten gehalten (Bild 3)
- Der Stift ruht nicht in der Daumenmulde, sondern zeigt steil nach oben (3)
- Der Stift wird zu stark oder kaum auf das Blatt aufgedrückt
- Das Kind schreibt sehr langsam und abgehackt. Es kommt kein richtiger Bewegungsfluss zu Stande
- Das Schreiben ist sehr anstrengend und führt schnell zu Schmerzen
Zur Aufklärung und Beratung von Eltern und Pädagogen habe ich die folgenden Informationsblätter zur Stifthaltung entwickelt. Sie sind hier erhältlich.
Der Blogbeitrag "Sinnvolle Unterstützung beim Schreibenlernen" stellt viele Möglichkeiten zur Förderung der Schreibmotorik bei Vor- und Grundschülern vor. Unter der Rubrik Material finden sich außerdem weitere Beratungssets und motivierendes Fördermaterial zur Unterstützung in diesem Bereich.
Weitere Informationen zum Thema finden sich unter anderem auch in folgenden Büchern von Kolleginnen aus der Ergotherapie:
"Wir werden Stiftprofis!" von Vera Henkel*
Komm, das schaffst Du!" von Britta Winter*
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Meiner Erfahrung nach ist es besonders wichtig, Kindern nicht durch zu viele Korrekturen der Stifthaltung die Freude am Malen und Schreiben zu nehmen. Viel mehr hilft es, gemeinsam mit dem Kind zu beobachten und zu reflektieren, in welcher Haltung und auch mit welchen Stiften es am Besten arbeiten kann.
Treten im Vor- und Grundschulalter noch deutliche Schwierigkeiten beim Malen und Schreiben auf, kann eine Beratung oder Behandlung bei der Ergotherapie hilfreich sein. Weitere Informationen zur Ergotherapie für Kinder finden sich hier.
Zur Einschätzung eines Behandlungsbedarfs helfen die oben beschriebenen Faktoren einer unreifen Stifthaltung. Auch die Empfehlung einer erfahrenen Erzieherin oder Lehrerin kann wertvolle Hinweise geben. Die endgültige Entscheidung über einen Behandlungsbedarf liegt dann beim verordnenden Kinderarzt.
Ich hoffe, die in diesem Beitrag zusammengetragenen Informationen helfen vielen Eltern und Fachkräften, die Qualität einer Stifthaltung besser einzuschätzen.
Alles Liebe
Jana
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